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„Gründen ist eine Armutsfalle“

Cosima Reif, Amici delle SVA im Interview

Cosima Reif, Amici delle

Cosima Reif ist ein Gründungsmitglied der Selbstständigen-Gruppe Amici delle SVA, die sich seit mehreren Jahren gegen das komplizierte SVA-System zur Wehr setzt. Die freiberufliche Texterin erzählt im ersten Teil des Interviews, warum die Amici gegründet wurden und kritisiert die Benachteiligung von Kleinstunternehmern.

Wann und warum wurden die Amici delle SVA gegründet?

Ich bin seit 2001 selbstständig. Am Anfang habe ich etwa 400 bis 500 € pro Quartal für die Sozialversicherung bezahlt. Nach ein paar Jahren bekam ich die Nachzahlungsaufforderung der SVA (Anm: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft), die im vierstelligen Bereich war. Jahrelang hab ich dann das leidige Geld für die SVA zusammengekratzt. Dazu kam noch der Selbstbehalt beim Arzt. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich kein Einzelfall bin und hab mit anderen Betroffenen gesprochen. Meine Freundin Karin Stelzer hat mir erzählt, dass das SVA-Gesetz aus dem Jahr 1960 stammt und für Unternehmer gemacht wurde, die viel Geld verdienen. 2010 haben wir mit Gleichgesinnten die ersten Aktion „Mein letztes Hemd hat die SVA“ organisiert. Wir sind in die Zentrale an der Wiedener Hauptstrasse gezogen und haben unsere T-Shirts dort auf den Empfangs-Tresen geknallt. Übrigens hat die Wirtschaftskammer unseren Slogan für eine Aktion 2015 auf der Mariahilfer Strasse benutzt.

Bitte konkretisieren Sie ihre Kritikpunkte an der SVA.

Die SVA ist unternehmerfeindlich. Wir EPUS arbeiten bis Mai, Juni nur für die SVA und bis August für den Finanzminister. Wobei ich betonen möchte, dass ich die Belastungen von Seiten des Finanzamtes okay finde. Ab September müssen wir uns dann das Geld erarbeiten, mit dem wir unsere Miete bezahlen können. Außerdem ist die Beratung bei der SVA ist schlecht, da arbeiten biedere Beamte, die mit Selbstständigkeit nichts am Hut haben.

Das Periodenrechnungssystem ist für Laien ziemlich kompliziert.

Genau. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Jemand schreibt ein Drehbuch und arbeitet drei Jahre dran. In dritten Jahr verdient er 100.000 €. Weil er in diesem dritten Kalenderjahr so viel verdient hat, darf er für das nächste Jahre die Beiträge gemessen an diesen 100.000 € vorauszahlen. Dass dieser Selbstständige wieder drei Jahre braucht, um ein neues Drehbuch zu schreiben und eigentlich von 30.000 € im Jahr lebt, ist bis zur SVA noch nicht durchgedrungen.

Was haben die Amici noch alles unternommen?

Wir haben geklagt, weil Kleinstverdiener ruinös hohe SVA-Beiträge zahlen. Unserer Meinung nach verstößt das gegen das Gleichheitsprinzip. Denn ein Freiberufler aus Österreich muss seine Leistung teurer anbieten als einer aus einem anderen EU-Land. Die Klage wurde abgewiesen. Wir haben noch einige Protestaktionen veranstaltet und einen Forderungskatalog erstellt, der auf unserer Webseite nachzulesen ist. Wir sollten eigentlich permanent auf die Straße gehen, aber irgendwann müssen wir ja auch arbeiten.

Was raten Sie Gründern?

Ich würde niemandem empfehlen, sich in Österreichs selbstständig zu machen. Aufgrund der Arbeitslosenzahlen sind leider viele dazu gezwungen, vor allem über 40-jährige. Ich kenne ein paar Gründer, die haben ihren Geschäftssitz im Ausland. Ich verstehe das, denn Gründen ist in Österreich dank der SVA eine Armutsfalle. Einer meiner Amici-Kollegen hat ausgerechnet, dass die SVA alle zwanzig Minuten einen Exekutionsbescheid verschickt.

Teil 2 des Interviews

 

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