Von wie vielen Versicherten werden Sie pro Jahr im Schnitt kontaktiert?
2015 waren es rund 1500 Kontakte, etwa ein Drittel davon waren Beschwerden.
Worum geht es in den meisten Fällen?
Um sämtliche Entscheidungen der SVA, unter anderem Betragsvorschreibungen, Vergütungsansprüche, Pensions- und Pflegegeldansprüche. Bei etwa 30 bis 40 Prozent geht es um Geldschwierigkeiten. Sie können die Beiträge nicht zahlen oder die Beiträge sind zu hoch. An mich wenden sich Leute, die um jeden Euro kämpfen. Ich versuche im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu helfen.
Wie lange wartet ein Versicherter auf eine Antwort bzw. auf die Erledigung seines Anliegens?
Ich bin als Einzelperson für das ganze Bundesgebiet zuständig. Trotzdem ist es mein Ziel, sämtliche Beschwerden und Ersuchen innerhalb von zehn Tagen zu erledigen. In 90 Prozent der Fälle funktioniert das auch.
Welche Möglichkeiten haben Sie, um bei Zahlungsproblemen zu helfen?
Ich mache die Kunden darauf aufmerksam, dass und wie sie einen Antrag auf Beitragsherabsetzung, Ratenvereinbarung oder Stundung einbringen können.
Wie oft werden diese Anträge und Ansuchen genehmigt?
Bei vorangehender guter Zahlungsmoral eigentlich immer. Problematisch sind Fälle, in denen bereits jahrelang den Zahlungsaufforderungen der SVA nicht nachgekommen wurde.
Wünschen Sie sich vom Gesetzgeber andere Rahmenbedingungen?
Ja, auf jeden Fall. Jede Privatversicherung hat die Möglichkeit einer Kulanz. Sogar das Finanzamt kann im Einzelfall Steuerforderungen reduzieren. Im Sozialgesetz ist das nicht vorgesehen. Das betrifft nicht nur die SVA sondern auch Gebietskrankenkassen und andere Krankenversicherungsträger. Hier haben wir generell ein zu starres System.
Wie unabhängig können Sie persönlich agieren?
Ich bin in meinen Vorschlägen weisungsfrei. Pro Jahr bringe ich rund 50 Verbesserungsvorschläge ein. Das fängt bei Gesetzesänderungen an und hört bei der der Änderung von kleinen Formularen und SVA-Broschüren auf. Gerade Informationsmaterial sollte von jedem Kunden verstanden und unverständliche Passagen schnellst möglich geändert werden. Ich sehe mich als Anlaufstelle für Verbesserungen und Veränderungen.
Was passiert mit diesen Verbesserungsvorschlägen?
Die gebe ich zunächst an die Geschäftsleitung der SVA weiter. Seit 2009 (seit es den Ombudsmann gibt, Anmerk.) habe ich in Summe rund 300 Vorschläge unter anderem in den Bereichen Pensionsservice, Gesundheitsservice, Sozialpolitik eingebracht. 145 sind umgesetzt worden, ein Drittel wurde abgelehnt, der Rest ist noch offen. Meinem Vorschlag zur Änderung beim Selbstbehalt wurde nicht zugestimmt.
Wie stehen Sie persönlich zum Selbstbehalt?
Dem Grunde nach bin ich dafür, finde aber die Höhe von 20 Prozent zu hoch. Ich denke, dass der Selbstbehalt ein Steuerungselement ist. Ich freue mich aber über die Einführung des Kostenanteilsdeckels. Der Selbstbehalt beträgt nun maximal fünf Prozent des Jahreseinkommens. Damit sollte niemand mehr durch den Selbstbehalt in den Ruin getrieben werden. Wichtig ist mir, dass es keine Beitragserhöhungen gibt.
Gibt es Punkte, bei denen Sie das Gefühl haben: Hier sind besonders viele Betroffene schlecht informiert?
In dem Bereich „Arbeitslosigkeit und Wiedereinstieg“ fällt mir das besonders stark auf. Ich erkläre das am besten anhand eines Beispiels. Ein Neuer Selbstständige meldet sich bei der SVA ab und beim AMS an. Er verdient nunmehr monatlich € 200, also unter der Geringfügigkeitsgrenze. Diese € 200 darf er ohne Probleme beziehen. Anfang Juli wechselt diese Person dann wieder in die freiberufliche Tätigkeit, weil sie einen größeren Auftrag bekommen hat. Der Selbstständige erwirtschafte nun in diesem Jahr € 10.000, also weit über der Geringfügigkeitsgrenze. Rückwirkend wird er von der SVA ab 1. Jänner versichert, es gibt eine Jahresbetrachtung. In diesem Fall muss der Betroffene die Arbeitslosenversicherung zurückzahlen.
Um das zu vermeiden, sollte man in diese Fall also am besten erst am 1. Jänner mit der Selbstständigkeit anfangen oder unter der Geringfügigkeitsgrenze bleiben.
Das ist korrekt. Nicht davon betroffen sind übrigens Neueinsteiger, die vorher nicht selbstständig waren und Gewerbetreibende. Ein Gewerbe kann monatsweise ruhend gestellt werden. Das Gleiche gilt für Künstler. Auch bei der Künstlersozialversicherung kann man eine vorübergehende Ruhendmeldung machen. Manchen Personen rate ich, sich um Aufnahme in die Künstlersozialversicherung zu bemühen. Denn der Fonds übernimmt über Zuschüsse teilweise die Sozialversicherungsbeiträge bei der SVA.
Welche Kenntnisse sollten Selbstständige im Vorfeld auf jeden Fall haben, damit sie erst gar keinen Ombudsmann brauchen?
Bei Schwierigkeiten mit der vorläufiger Beitragshöhe zum Beispiel den bereits erwähnten Herabsetzungsantrag stellen. Ich wundere mich oft, warum manche Kunden davon nichts wissen, denn bereits auf den Gründerseminaren der WKO und der SVA wird darüber informiert. Es gibt viel Wissenswertes in Broschüren und auf der Homepage, aber wie die komplexe und große Materie besser an die Frau oder den Mann zu bringen ist, dazu fehlt mir die zündende Idee. Man schüttet die Leute entweder zu oder informiert zu wenig. Aber einfach den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen: Ich bin so arm, ich verdien so wenig, das ist das schlechteste, was man machen kann.
Ein Lösungsansatz wäre, die Informationen verständlicher zu formulieren.
Da gebe ich Ihnen Recht. Die SVA hat eine neue Kommunikationslinie entwickelt, aus welcher jetzt kurze und prägnante Informationsblätter entstanden sind. Trotzdem sind wir auf das Feedback der Kunden angewiesen. Ich ersuche daher die SVA-Kunden auch, sich bei mir zu melden, wenn sie ein Formular nicht verstehen.
Welche Verbesserungsvorschläge von Versicherten wurden bisher konkret aufgegriffen und umgesetzt?
Eben zum Beispiel die Verständlichkeit von Formularen. Oder die Erhöhung des Wochengeldes, der Nichtbetrieb bei Wochengeldbezug und Kindererziehung, der Entfall zur zwangsweisen Zahlung von Beiträgen für die Selbständigen-Vorsorge für erwerbstätige Pensionisten, die Herabsetzung der Beitragsgrundlage auf das ASVG-Niveau (Anm. derzeit nur in der Krankenversicherung), um nur einiges zu nennen. Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht, auch die Unterstützungsleistung bei lang andauernder Krankheit für Selbständige. Allerdings bekommt man diese erst am 43. Tag des Krankenstandes. Sechs Wochen ohne Einkommen kann ein EPU in den Ruin treiben. Ich setzte mich dafür ein, dass man das Krankengeld früher bekommt. Die SVA bietet eine freiwillige Zusatzversicherung an, die Krankengeld ab dem 4. Tag ermöglicht. Die ist preislich gesenkt worden, von 4, 25 Prozent auf 2,5 Prozent der Beitragsgrundlage. Das ist ein Mindestbeitrag von knapp € 30 im Monat. Und das Krankengeld beträgt auch mindestens € 30 pro Tag. Diese Zusatzversicherung kann auch steuerlich geltend gemacht werden.
Außerdem wünsche mir, dass die Kunden eine Vorschreibung oder Mahnung zusätzlich per E-Mail zugestellt bekommen. Mein Ziel ist, dass die Kunden die SVA und die SVA ihre Kunden und damit das Unternehmertum mit allen Belastungen und Entbehrungen besser verstehen lernen. Also einerseits nicht nur die kostenintensive Zwangsversicherung sehen, von der man nichts bekommt, sondern einen Partner, der ein soziales Sicherheitsnetz im Alter, bei Krankheit oder finanzieller Notlage bietet. Die SVA kann nicht eigenmächtig handeln und muss sich an die Gesetze halten. Wir sollten uns gegenseitig helfen, aber das ist noch ein weiter Weg. Ich werde mich auf jeden Fall weiterhin um Verbesserungen bemühen.